Liebe Leser:innen,
dieser Tage rief mich ein „alter“ Fahrensmann der Küchenbranche an, er hatte sich schon lange nicht mehr bei mir gemeldet. Schließlich hat er das Geschäft an den Sohn übergeben und da möchte er ja nur noch reinreden, wenn er gefragt wird. Eine klasse Einstellung, wie ich finde. Aber sein Anruf hatte einen anderen, ernsten Hintergrund.
Er fragte mich, ob ich es für möglich halte, dass sich die Küchenindustrie offensiv gegen die Rechtspopulisten wie die AFD aussprechen würde. Ihm imponierte, dass Familienunternehmen wie Vorwerk, Schüco, Rossmann oder Oetker sich mit einer Kampagne gegen den Rechtsruck in unserem Lande wehren würden. Ob dies nicht eine Option für die Küchenbranche sei, die doch auch dringend auf gut ausgebildete Arbeitsplätze gleich welcher Nationalität angewiesen sei.
Eine Idee, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Schließlich haben sich unter dem Motto „Made in Germany – made by Vielfalt“ Familienunternehmen zusammengeschlossen, die gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit öffentlich Stellung beziehen. Initiator dieser Aktion, die am 19. August 2024 nach ihrer Gründung im Jahr 2019 offensiv in die Öffentlichkeit gegangen ist, ist Timm Mittelsten Scheid, Gesellschafter und Mitglied des Beirats von Vorwerk. Die Initiative ging 2019 zur Europawahl an den Start, kam aber wie so vieles durch Corona zum Stocken. Aktuell sind 43 Unternehmen und zwei Unternehmerverbände aus Ostdeutschland aktiv. „Wir wollen Menschen sensibilisieren. Denn es ist hochgefährlich, was da gerade passiert – zum einen für unsere Demokratie und zum anderen für unseren Wirtschaftsstandort. Wir brauchen in Deutschland Vielfalt und Menschen aus den verschiedensten Regionen der Welt. Denn wenn wir keine Vielfalt haben, fehlen Einflüsse und Ideen und daraus folgend in der Zukunft neue Technik und neue Produkte. Das gefährdet mittel- bis langfristig den Standort Deutschland. Dazu kommt das Thema Arbeitskräftemangel. Schon jetzt fehlen vielerorts Mitarbeiter. Und dieses Problem wird immer größer. Das kann auch die gewollte Ansiedlung von Zukunftstechnologien verhindern“, führte Mittelsten Scheid am 18. August in der Welt am Sonntag aus.
Wie krass die Situation in Deutschland ist, zeigten dann die Wahlen vom vergangenen Wochenende, die schlimmste Befürchtungen bestätigen und zwei Bundesländer ins Chaos stürzen. Ich bin gespannt, ob die Chip-Fabriken in Dresden und Magdeburg realisiert werden, für die die Bundesregierung Geld ein paar Milliarden Euro in die Hand nehmen will. Ich bin aber auch gespannt, wie der Ruf von Deutschland in der Welt leidet. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges gewinnt eine rechtsextreme Partei in Deutschland eine Wahl. Eine andere, Russland nahestehende Partei dürfte zum Königsmacher werden. Die Sorge um die Demokratie in Deutschland wird von unseren europäischen Nachbarn, aber auch von den USA geteilt.
Gerade vor diesem Hintergrund macht es für mich Sinn, sich sowohl von den Rechts- als auch von den Linkspopulisten öffentlich zu distanzieren. Deutschland ist in der Welt nur so lange stark, solange es seine freiheitliche Grundordnung verteidigt und erhält und sich von Fremdenfeindlichkeit und Hass distanziert. Dazu gehört auch, dass Unternehmen und deren Eigentümer deutlich machen, dass sie Fremdenhass verurteilen und für Vielfältigkeit einstehen.
Wir müssen verstehen, wie verletzlich unser Demokratie und unsere Wirtschaft sind, meint Ihre Stefanie Willach
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